DIE WAHL HABEN - EIN OFT VERGESSENES PRIVILEG

 

Genau so, wie ich es mir für meinen langen Aufenthalt in Valencia vorgestellt hab, sitze ich grad auf der Terrasse eines trubeligen Cafés, trinke einen leckeren Café con leche und habe endlich Muße, meine Gedanken niederzuschreiben zu einem Thema, welches mir schon eine ganze Weile auf der Seele brennt. Und zwar, die Wahl zu haben, wie man sein Leben gestaltet.

 

Wer der Meinung ist, dass ich eh momentan völlig realitiatsfern lebe und von den wirklichen Problemen keine Ahnung hab, sollte lieber nicht weiterlesen. Denn es folgen ein paar Klugscheissereien. Durchaus mit dem Bewusstsein, dass sich das mit dem riesigen Abstand vom Alltag alles leicht sagen lässt aber dennoch aus Überzeugung an dem Wahrheitsgehalt dieser Gedanken. Denn der Abstand von allem führt dazu, dass man einige Dinge klarer und anders sieht. Hinzu kommen viele prägende und bleibende Eindrücke der letzten Monate.

 

Du liest immer noch? Dann willkommen in meiner Gedankenwelt!

 

 

Nicht wenige Menschen, die ich kenne, sind unzufrieden mit dem Job, zu dem sie sich tagtäglich quälen, mit der nicht ausreichenden Zeit für Privates oder sogar mit dem Leben, das sie führen. Klar, kann man nicht immer auf der rosa Wolke rumschweben und manchmal ist eben alles ätzend und anstrengend aber man kann versuchen, das auch wieder zu ändern.

 

Doch oft verharren wir in den unliebsamen Situationen, denn was wir leider vor lauter Wohlstand vergessen haben: Wir haben das Privileg, wählen zu können. Und zwar wählen zu können, welchem Job wir unsere Energie widmen, welchen Freunden unsere Zeit und vor allem wie wir leben möchten. Stattdessen meckern wir ständig, hadern mit dem, was wir haben oder auch nicht haben und sind so oft unzufrieden. Mit dem Meeting, den Kollegen, dem eigenen Aussehen, dem Beziehungsstatus und mit dem Wetter sowieso. 

 

 

Man hört und liest immer wieder davon, dass die Erkenntnis oft eintritt, wenn man ernsthaft erkrankt. Dann sehnt man sich auf einmal genau nach dem Leben, mit dem man bisher so haderte bzw. erkennt plötzlich, worauf es wirklich ankommt und ändert sein Leben entsprechend, sofern man dazu gesundheitlich dann noch in der Lage ist.

 

Aber muss man wirklich erst krank werden, um Klarsicht zu erlangen? Das ist doch absurd! Obwohl, einige arbeiten sich so kaputt, dass sie irgendwann auf jeden Fall krank werden. Aber dann ist es eventuell zu spät, das Leben einfach zu leben.

 

In den letzten Monaten habe ich viele Menschen erlebt, die nicht das Privileg haben, ihr Leben frei zu gestalten. Die stundenlang über den Reisfeldern gebeugten Menschen, die jungen hübschen Mädchen mit den verbrauchten Männern, die alte Frau mit dem schweren Obstkorb auf dem Kopf, die sich in der Hitze kaum noch auf den Beinen halten konnte...

 

Auf der anderen Seite haben mich immer wieder Menschen beeindruckt, die völlig stupide Arbeiten verrichten aber dennoch zufrieden wirkten. Zum Beispiel der Mann, der in diesem stickigen übervollen Bus in Sri Lanka tagtäglich nix anderes macht, ausser Fahrscheine zu verkaufen aber dennoch die ganze Zeit mit den Fahrgästen scherzte und für jeden ein Lächeln hatte oder die Masseure in Thailand, die ständig komische Füsse anfassen müssen und trotzdem rumblödelten und mich mit ihrem Lachen ansteckten.

 

Diese Erlebnisse haben mich in dem bestärkt, was ich theoretisch auch vorher schon wusste: dass wir das, was uns unerträglich erscheint, ändern müssen, denn wir haben die Wahl und vor allem die Möglichkeiten, genau das zu tun. 

 

Wir können aber auch einfach mal aufhören mit dem Rumgehadere sowie Unschlüssigsein und bestimmte Dinge annehmen und zufrieden sein mit dem, was man hat und vor allem mit dem, wer man ist! Dankbarkeit, Demut sowie Wertschätzung gegenüber anderen sind Eigenschaften, die wir uns alle wieder viel mehr auf die Fahne schreiben sollten.

 

 

Wir stehen uns so oft selbst im Weg mit den viel zu hohen Erwartungen. Erwartungen an das Leben, welches so berauschend und prickelnd und abwechlsungsreich wie nur möglich sein soll. Und Erwartungen an unsere Mitmenschen, die sich bitte genauso verhalten sollen, wie wir es gerne hätten. Dabei haben wir doch alle schon die Erfahrung gemacht, dass es gerade die kleinen Dinge und Gesten sind, die das Leben bereichern und so schön bunt machen. Nur leider sehen und fühlen wir vor lauter Erledigen statt Erleben diese besonderen Momente nicht mehr, sondern lassen diese einfach unachtsam vorbei ziehen. Den negativen Dingen hingegen können wir uneingeschränkt unsere Aufmerksamkeit schenken und diesen unglaublich viel Platz in unseren Gedanken und Emotionen einräumen. Grotesk, oder?

 

Es ist Zeit, das zu ändern! Jetzt! Hier! Ab sofort! Nicht morgen, denn dann ändert sich nie was. Wir sollten uns wieder mehr auf die Glücksmomente besinnen. Und wir sollten uns weniger ärgern, sondern die Energie unserer Familie und unseren Freunden widmen. 

 

Die schönen Augenblicke so richtig auskosten, das Tempo etwas runterfahren und seinem kleinen Leben wieder mit mehr Zuversicht entgegen blicken, das sollte doch zu machen sein. 

 

"Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch die Vernachlässigung kleiner Dinge." Wilhelm Busch

 

 

Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht und die chillige Musik des Cafés dringt leise auf die Terrasse und in mein Ohr. Ein perfekter Moment zum Innehalten, zum Spüren des Glücksgefühls und zum Dankbarsein.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Cori (Mittwoch, 15 Juni 2016 18:32)

    Love you!

  • #2

    Catrin (Dienstag, 02 August 2016 09:22)

    Hi Bettina,
    es macht riesig Spaß deine Artikel zu lesen und wie schön, an deinen Gedanken teilhaben zu dürfen. Du hast so recht .... wenn es nur so einfach wäre, wie es in vielen weisen Sprüchen und unzähligen eigenen Gedanken immer formuliert wird ... aber: man kann ja auch wachsen in dem man immer weiter und weiter denkt und irgendwann kommt vielleicht der Punkt, an dem man mal so schlau ist, die Blickrichtung wechselt um klar zu sehen (so, oder so ähnlich schreibt es doch Antoine de Saint-Exupéry).