MOIN - ENTSCHLEUNIGUNG AUF OSTFRIESISCH

Ich sitze hier an einem kleinen Teich im ostfriesischen Nirgendwo, vor mir die grasenden Kälbchen, neben mir ein Buch sowie ein mit prickelndem Sekt gefülltes Glas. Ein Hauch herber Landluft weht vom Kuhstall herüber. Der mir eine Gänsehaut verursachende Wind und die mein Gesicht wärmende Sonne buhlen um die Poleposition. Die meinen Pulsschlag halbierende Ruhe wird von zwitschernden Vögeln und blubbernden kleinen Fischen untermalt. Und ich? Bin einfach nur glücklich. 

 

Eigentlich würden wir grad in diesem Augenblick barfuß durch das Wattenmeer waten und uns viel Wissenswertes über das UNESCO-Weltnaturerbe erzählen lassen. Aber in dieser kleinen Auszeit zählt der Moment und der ist hier und jetzt an diesem Teich.


Wir, das sind Sabrina und ich. Und wir plauderten vor einigen Wochen darüber, gerne mal an die Nordsee fahren zu wollen. Oft bleibt es ja bei solchen (zwang)losen Zukunftsplanungen. Aber nein, wir schufen Tatsachen und buchten ein Apartment in einer beschaulichen Pension im Wangerland.

 

Am Donnerstag (14.9.) machten wir uns somit auf den Weg, ich mit aufgeregter Vorfreude im Gepäck angesichts meiner Nordsee-Premiere und der Erfüllung eines lang ersehnten Urlaubsziels. Für dieses Ziel musste eine 500 Kilometer lange Autofahrt überwunden werden, aber wir Mädels hatten mehrstündigen Gesprächsstoff, schließlich hatten wir uns schon über zwei!! Wochen nicht gesehen ;) und so lief die von Brina erstellte Roadtrip-Playlist fast gänzlich unbeachtet leise im Hintergrund.

 

Vor der Ankunft in unserem Feriendomizil machten wir erstmal einen Kurzstopp am Meer und die intensive Wirkung von 10minütigem Durchgepuste ließ einen komplett freien Kopf für die Rückkehr 4 Tage später versprechen. Der herzlich-lustige Empfang unserer Pensionswirtin bestärkte dann die Gewissheit, dass wunderbare Tage vor uns liegen. Wir waren angekommen, nicht nur im Urlaubsdomizil, sondern auch im Entschleunigungs-Modus.

 

Nach dem Beziehen unserer FeWo und des Kundtun der Begeisterung, ob der Gemütlichkeit und des Ausblicks, zog es uns zum Deich und ich war einfach nur geflasht von diese Weite. Unendlichkeit, in alle Himmelsrichtungen. Und unendlich viele Schafe um uns. Mit einem zünftiges Essen, Nordsee-Bier und ganz viel Vorfreude auf die kommende Zeit schlossen wir den Tag ab.


Jeder Tag begann mit einem liebevoll zubereiteten Frühstücksbuffet (ich sach nur Lavendel-Käse, Wattenmeer-Schinken und Glückliches-Huhn-Ei) und einem Unterhaltungsprogramm der so gar nicht auf den Mund gefallenen Pensionschefin. Zum Niederknien. Eine ansteckende GuteLaune-Garantie gab es also kostenfrei zum Frühstück dazu.

 

Das Wetter am Freitag war wider Erwarten bombastisch. Brina und ich trennten uns, da jeder auch Zeit für und mit sich selbst genießen wollte. Meine Me-time genoss ich mit einem mehrere Stunden andauernden Spaziergang - erst auf dem Deich, dann am Strand entlang. Jaaaa, das machte mich glücklich. Ich liebe ja das stundenlange Laufen und wenn ich dabei noch Wasser vor der Nase hab, ist das pure Glückseligkeit. Für die Krönung in Form von Sonnenschein und einem blauen, mit Wattebausch-Wolken betupften, Himmel hab ich grad keine angemessenen Worte und lasse die Bilder für mich sprechen, meine Kamera war im Dauerbetrieb.

 

Während Brina sich nach einigen Kilometern einen Strandkorb gönnte, um am Strand von Schillig zu chillen, widerstand ich dieser Verlockung und lief immer weiter und weiter anner Küste entlang. Am späten Nachmittag kehrte ich dann zu einer Teetied ein. Ich mag Tee eigentlich so gar nich aber da die Ostfriesische Teezeremonie von der UNESCO zum Kulturerbe erklärt wurde, war ich neugierig. Und was soll ich sagen, ich fand Gefallen daran und ab sofort hat “Abwarten und Teetrinken” eine ganz neue Bedeutung für mich.

 

Den ganzen langen Weg ging es dann auch zu Fuss wieder zurück und kaputt aber glücklich machten wir es uns in unserer FeWo gemütlich mit Pasta, Weinchen und Kerzenschein.


Der morgendliche Blick aus dem Fenster sagte am Samstag einen Schietwetter-Tag vorher und führte zu der kurzen Überlegung, den geplanten Ausflug auf die Insel Langeoog ins Wasser fallen zu lassen. Aber nix da, Regenjacken an und los. Und wir wurden belohnt. Die Schifffahrt war selbst für mich seekrankgeplagtes Sensibelchen entspannt und der Regen hörte auf, sobald wir den Fuß auf die Ostfriesische Insel setzten.

 

Uns zog es direkt zum Strand. Dort war Ebbe, so dass wir ein ganzes Stück gehen mussten, bis wir am Wasser waren und dort gab es, im Gegensatz zum Festland, ordentlich Wellenrauschen - eines meiner Lieblingsgeräusche. Tief die salzige Luft einatmend und begleitet vom phasenweise tröpfelndem Nass von oben, liefen wir beschwingt am Wasser entlang. Und als wäre diese Breite und Weite des Strandes nicht schon genug Vergnügen und eine ungewohnte Wohltat für die Augen, erwartete uns eine Tierdoku, wie sie auf National Geographic nicht spannender hätte sein können. Hier ein Auszug:


  • Eine Möwe, die, von unserer Nähe völlig unbeeindruckt, eine fangfrische Krabbe in Nullkommanix auffutterte.

  • Eine lebende Muschel, die wie eine Zunge im Sand umher”leckte” (hab ich noch nie gesehen vorher).

  • Eine nix von ihrem baldigen Ende als Möwen-FastFood ahnende chillende Krabbe.

  • Und das Freudentränen auslösende und unerwartete Highlight: ein direkt vor uns Siesta machender Seehund.

 

Dankbarkeit!

 

Da die Insel zu gross ist, um sie komplett zu umrunden, nahmen wir für den Rückmarsch einen Weg hinter den Dünen in einer Hobbitland anmutenden Landschaft, die mich in den ecuadorianischen Nationalpark Cajas zurück versetzte, einem meiner Highlights auf der großen Reise. Dies machte mir wieder bewusst, dass ich nich zwingend in die Ferne reisen muss, um unerwartet atemberaubende Natur zu erleben und inmitten dieser in eine andere Welt einzutauchen. Und diese Erkenntnis war ein weiterer bedeutender Schritt für mich, Frieden mit der Rückkehr in mein “altes” Leben zu machen. Nur weil ich keine Dauer-Backpackerin mehr bin, bedeutet das nicht, keine spannende Abenteuer mehr zu erleben.

 

Mit diesen ganzen (tierischen) Eindrücken kehrten wir Stunden später in eine klitzekleine wohlige Teestube ein. Und prompt ergoss sich der Himmel, als hätte er nur abgewartet, bis die beiden Großstadt-Mädels im Trockenen sitzen. Auf dem Trockenen saßen wir aber nicht. Denn selbstverständlich gab es wieder Tee und das Kännchen Schietwettertee wurde bei dem Blick nach draußen zu einem gemütlichen Hochgenuss. Auch hier begegneten uns wieder unglaublich bezaubernden Menschen. Hatten wir sie vorher eher als zurückhaltend und wortkarg eingeschätzt, haben sich die Ostfriesen mit ihrer herzlichen Art und ihrem uns regelmäßig zum lachen bringendem trockenen Humor schnell in unser Herz geschlichen.

Und schwupps, war die Zeit rum und wir mussten zum Hafen, um die letzte Fähre zu erwischen.


Heute zog es mich nach dem Frühstück wieder zum Deich, während Brina einen Ausflug nach Jever machte. Und nun sitzen wir hier gemeinsam an diesem friedvollen Fleckchen Erde, und genießen unser Glück. Morgen geht es, mit ganz viel Leichtigkeit und einem zufriedenen Dauerlächeln zurück.

 

Wat(t)’n Wochenende! Pure Entschleunigung!

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Ronner (Sonntag, 24 September 2017 11:28)

    Ausgezeichnet geschrieben!!! Gruß von der Ostsee nach Berlin

  • #2

    Brina (Sonntag, 24 September 2017 21:28)

    ...oh ja, es war chillig in Schillig. Danke für dieses tolle Wochenende.