WILDE WILD COAST (PROVINZ EASTERN CAPE)

Kaum ging es nach einem aufregenden Safari-Tag spät ins Bett, musste ich auch schon wieder aufstehen (4.12.), da der Backpacker-Bus, der mich zur nächsten Etappe meiner Küsten -Tour bringen sollte, bereits früh morgens in PE startete. Ich verpasste somit das tolle Frühstück aber  meine Gastgeberin Jill ließ mich nicht ohne ein prall gefülltes Essenspaket losfahren. 

 

Das Westkap bzw. die Garden Route und die Touris ließ ich nun hinter mir und machte mich auf zur wildromantischen (laut meinem Reiseführer) Wild Coast im Ostkap. Auf den Fahrten durch Eastern Cape bestätigte sich, was einer der Busfahrer über diesen Teil Südafrikas sagte: es ist eines der ärmsten aber auch landschaftlich schönsten Provinzen Südafrikas

 

Das Ostkap ist touristisch bisher noch relativ unerschlossen. Somit war die Reihenfolge der Entscheidungsfindung nicht wie sonst sich zuerst für einen Ort zu entscheiden und dort dann nach einer Unterkunft zu suchen, sondern zu schauen, wo es entlang der Küste nette Unterkünfte gibt, die man auch ohne Auto erreichen kann. Die Auswahl entschied dann über den Ort. 

 

Der erste so auserwählte Stop war CHINTSA. Ich hatte ein schönes Zimmer mit einem großen Balkon und einem grandiosen Blick auf eine traumhafte Kulisse - sogar vom Bett aus. Das abendliche Bestaunen des Sternenhimmel und das Meeresrauschen ließen mich wunderbar schlafen. Durch den frühen Sonnenaufgang (je nach Ort gegen 5 Uhr), hab ich mich in den letzten Wochen zum Frühaufsteher entwickelt und finde die morgendliche Ruhe wunderbar. Und man hat so schön viel vom Tag.

 

Die Unterkunft lag an einem Fluss und direkt dahinter befand sich das Meer. Und ein kilomeeeeterlaaaanger menschenleerer Strand. Somit ist klar, womit ich die Tage verbracht hab. Genau, mit stundenlangen Strandspaziergängen. Und dem Bestaunen der gigantischen Sanddünen. Von der Unterkunft aus wurde einige Aktivitäten angeboten aber ich fand es so erfüllend, am Strand entlang zu laufen oder einfach nur aufs Wasser und die kräftigen Wellen zu gucken, dass ich gar nichts anderes brauchte. Allerdings war es auch hier zu windig für die von mir normalerweise ausgiebigst zelebrierte Stranddecke-ausbreiten-und-chillaxen-Zeit. Doch einen Nachmittag erbarmte sich der Wind tatsächlich und gönnte mir ENDLICH nach Wochen ein paar Stunden Beachtime in der Horizontalen - mit allem, was dazu gehört. Die Stranddecke hatte ihren Premieren-Einsatz in Südafrika und ich genoss das Sonnen, Planschen, Lesen und sogar den kleinen Sonnenbrand danach. 

 

 

Nach 3 Tagen ging es dann weiter nach NQILENI zur Bulungula-Lodge. Die erste Hälfte der Strecke legte ich mit dem Backpacker-Bus zurück und bekam ein ganz anderes Südafrika zu Gesicht als bisher. Es war alles sehr ländlich, wenig besiedelt und die Wohnhäuser sehr einfach. In den kleinen Ortschaften, die wir durchquerten, waren ausschließlich schwarze Menschen zu sehen. Die zweite Hälfte erfolgte dann via Abholservice meiner Unterkunft. Diese liegt im Nirgendwo und ich hatte auf der Website bereits gelesen, das die Straße auf 40 Kilometern unbefestigt und nicht ganz einfach zu befahren ist. Damit, dass die Anreise dann aber - trotz 4x4 - so abenteuerlich wird, hatte ich nicht gerechnet. Schuld war der Regen, der alles in Schlamm verwandelte. Auf der 3stündigen Fahrt wechselten meine Gefühle hin und her zwischen Angst (rutschige Kurven, tiefe Abhänge, ein Fahrer, der seinen Führerschein - wenn überhaupt - noch nicht so lange hat), Neugierde und Vorfreude…  Und dann machte ein Reifen schlapp, zum Glück an einer bewohnten Stelle. Sofort kamen Leuten und legten, nachdem sie mich ungefähr 5 Minuten angestarrt hatten, los. Ich bezweifelte, dass das mit ihren einfachen Mitteln gelingen wird aber innerhalb von ner halben Stunde war der neue Reifen drauf. Weil alle gemeinsam angepackt haben.

 

Ich war echt fertig, als wir endlich ankamen und dann total ernüchtert. Die von mir gebuchte Hütte war ohne Bad, ich bin durch den Preis automatisch davon ausgegangen, dass ich ein eigenes Bad habe, auch wenn mir bewusst war, dass die Unterkunft sehr basic sein wird. Meine Ernüchterung steigerte sich, als mir die Gemeinschaftsduschen (für hot water musste man mit Klopapier, Paraffin und nem Streichholz ein kleines Feuerchen machen) sowie die Plumpsklos gezeigt wurden. Als ich dann zudem feststellte, dass mein Rucksack, der sich den letzten Abschnitt des Weges den Kofferraum mit dem kaputten Reifen geteilt hatte, eingesaut war mit rotem Schlamm und einige meiner Sachen somit nass geworden sind, war ich vollends bedient und bereute es, voreilig 4 Nächte gebucht zu haben. Dabei war ich mir bei der Buchung sicher gewesen, dass das so was von Bettis place to be sein wird. Nach einem ersten Strandspaziergang sowie einem leckeren und geselligen Dinner am Lagerfeuer sah die Welt glücklicherweise schon wieder ganz anders aus. Und als ich dann auch schnell den Dreh mit der Dusch-Beheizung raus hatte, war ich besänftigt. Was ich auf Reisen ständig feststelle: der erste Eindruck ist nicht immer der richtige - sowohl auf Orte als auch auf Menschen bezogen.

 

Meine runde Hütte lag ganz nah am Strand, was ich irgendwie erst am nächsten Morgen so richtig realisierte, der wettertechnisch sehr vielversprechend anfing. Alle Fotos von Nqileni, auf denen Ihr blauen Himmel seht, sind von diesem ersten Morgen oder vom Abreisetag, zwischendrin war es grau (teilweise mit imposanten Wolkengebilden) und sehr verregnet.

 

Das war aber gar nicht tragisch, denn Regen ist extrem wichtig für Südafrika und war bisher viel viel zu wenig für diese Jahreszeit, zudem hatte ich auch ganz ohne Sonnen-Strandwetter eine ganz außergewöhnliche Zeit. Die Bulungula-Lodge, die großen Wert auf Nachhaltigkeit legt, gehört den in Nqileni lebenden Xhosa. Sie waren von Anfang an beteiligt, in 2014 übergab der Gründer die Lodge sowie deren Management dann zu 100% der Community. Durch diese mich sehr beeindruckende Symbiose aus Tourismus und der kompletten Einbeziehung der Bewohner, bekommt man einen guten Einblick in das Leben der Xhosa. An einem Nachmittag machten wir mit zwei dort lebenden Frauen einen Rundgang durch das Dorf, einen Vormittag verbrachte ich außerdem gemeinsam mit einer dieser Frauen in der Hütte ihrer Familie, um mehr über ihren Alltag zu lernen. Ich habe dabei so viel erlebt und gefühlt, positives wie negatives, aufwühlendes wie berührendes. Es fällt mir schwer, dass alles in Worte zu fassen, deshalb hier nur ein Auszug meiner Eindrücke:

  • Die Hütten, in denen die Xhosa leben, sind traditionell rund (die oft herbeigerufenen Vorfahren mögen keine Ecken), es gibt kein fließendes Wasser, also auch keine Duschen oder Wasserhähne. Die Toilette befindet sich in einem Minikabuff ein paar Meter von der Hütte. Seit ein paar Jahren gibt es glücklicherweise mehrere Brunnen mit trinkbarem Wasser, vorher musste das Wasser aus dem Fluss geholt werden. 
  • Dadurch, dass alles sehr weitläufig und bergig ist, müssen die Bewohner viel laufen, ein Auto hat hier keiner. Die Frauen tragen dabei das meiste auf dem Kopf. Bevor es die Brunnen gab, musste auch das Wasser so transportiert werden. Ich habe es mit einem kleinen Eimer probiert, es war ein Bruchteil von dem Gewicht, was die Frauen tragen mussten und müssen und ich hatte echt zu tun. 
  • Die Xhosa in Nqileni leben vorrangig von Viehhaltung (vor meiner Hütte grasten alle möglichen Tiere) und Gemüseanbau. Und ein Teil der Community mittlerweile durch die Lodge auch vom Tourismus. Da Tauschgeschäfte heutzutage nicht mehr ausreichen, sondern auch Geld benötigt wird, zieht es die Männer oft über mehrere Wochen oder Monate in die größeren Städte. Somit haben die Frauen die Verantwortung für alles.
  • Bevor die Xhosa einen Arzt (oft weit entfernt) konsultieren, suchen viele eine im Dorf lebende Heilerin auf. Ich war in ihrer Hütte, mich konnte sie allerdings nicht so richtig überzeugen.
  • Die meisten kennen nur dieses Dorf und die nächstgrößeren Orte in der Umgebung. Da Menschen wie ich aber extra von weit her an diesen Ort reisen, gehen die Bewohner davon aus, dass ihr Dorf ein ganz besonders schönes Fleckchen Erde sein muss. Ja, das ist es!
  • Eine Gruppe Kinder zu beobachten, die sich um einen halben Keks stritten und diesen dann doch friedlich teilten, hat mich berührt und traurig gemacht zugleich.
  • 10 Kühe muss ein Mann an die Eltern der von ihm Auserwählten zahlen. 
  • Eine schöne Begegnung war die mit einem alten Angler, der mich auf einem meiner Spaziergänge begleitete und unermüdlich versuchte, mir etwas Xhosa beizubringen.
  • Der Gründer der Lodge hat vor Jahren eine Schule erbaut und Lehrer aus Kapstadt geholt. Das hat natürlich einiges verändert. Vorher gab es keinerlei Bildung, nun ergeben sich ganz andere Chancen. Darauf ist die Community sehr stolz. 
  • Dennoch müssen sich alle der Herausforderung stellen, die Traditionen ihres Volkes zu wahren und diese in Einklang zu bringen mit den Vorteilen (wie z.B. Solarstrom, Handys etc.) der modernen Welt. Und zu sehen, wie die Touristen leben und was diese so besitzen, weckt natürlich ganz neue Bedürfnisse.

Wenn der Regen mal nicht ganz so heftig auf uns nieder prasselte, wagte ich mich an den Strand für ein wenig wohltuende Bewegung. Und während ich so vor mich hin schlenderte und ein paar Krebse beobachtete, die ständig hektisch hin und her tippelten, sah ich aus den Augenwinkel auf einmal etwas schwarzes aus dem Wasser springen. Etwa ein Wal? Nein das kann nicht sein. Doch! Ein Wal, sogar zwei. Ich kletterte auf die nächstbeste Anhöhe und beobachtete dann für eine ganze Weile zwei erhaben und fröhlich aus dem Wasser springende Wale, bis sie am Horizont verschwanden. Und dann stand ich da, völlig durchnässt, dreckig (das auf die kleine Anhöhe klettern gelang mir nicht ohne Zuhilfenahme von glitschig-vermoosten Ästen) und weinte vor Glück. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Wale gesehen, einfach so. Dieser Ort ist magisch. Enkos Nqileni!

 

Nach 4 Tagen hieß es Abschied nehmen und zum ersten Mal auf meiner Südafrika-Reise fiel es mir richtig schwer. Und das nicht (nur) wegen der Sonne, die sich an meinem Abreisetag auf einmal wieder in voller Pracht zeigte. Aber ich musste dem Ruf der Berge folgen.

 

Nachtrag: Heute, beim Fertigstellen dieses Artikels, habe ich einen Bericht zu Nqileni gefunden, in dem über die sehr schlechten Zustände dort berichtet wird. Darin heißt es, unter anderem: “Nqileni is in one of South Africa’s poorest districts. There is no running water, no clinic, no school, no toilets, no electricity, no road, no telephones – in fact not one municipal service. The police can’t get to the village anymore because there are no roads and there have never been ambulances.” Vor allem das fehlende Trinkwasser war ein großes Problem. Das Wasser aus dem Fluss ist, durch Regen und Mitnutzung der Tiere, verschmutzt, was zu mehreren Todesfällen bei Kindern führte. Zudem leiden, neben HIV, viele an Epilepsie, 8 von 10 Kindern sind wohl betroffen. Die Regierung hatte diese Ortschaft viele Jahre gar nicht auf dem Schirm. Der Bericht ist von 2007 also schon eine Weile her aber irgendwie auch nicht. Aus meinem Blickwinkel betrachtet, sind die Lebensbedingungen in Nqileni heute immer noch hart, aus deren Sicht hat sich Beträchtliches verbessert. Das beschäftigt mich grad sehr...

https://www.health-e.org.za/2007/12/19/nqileni-the-e-cape-village-that-fell-off-the-map/



CHINTSA:



NQILENI:

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