REISEMÜDIGKEIT UND EINSAMKEIT

Acht Monate lang ist alles gut gegangen und flutschte so schön und dann packte mich doch das, wovon so viele Backpacker, die man unterwegs trifft, erzählen und was man in zahlreichen Reiseblogs lesen kann: ich hatte nicht mehr so richtig Bock auf das Reisen. Oh jeh, wo kam das denn plötzlich her. Ich war doch so im Flow und alles lief gut und ich hatte jede Menge Neugierde und Entdeckergeist in mir. Die ständigen ups and downs und das Heimweh der anderen Traveller nahm ich zwar zur Kenntnis, fühlte mich selbst aber gefeit davor. Und auf einmal ging's mir genauso.


Es fing in Bogotá an. Total unerwartet, denn nach vier Wochen Sesshaftigkeit in Valencia konnte ich es kaum erwarten, endlich weiter zu ziehen. Doch irgendwie war die Luft raus. Ich hatte weder Lust, mir was anzuschauen, noch zu recherchieren, wie es weitergeht. Im Gegenteil, es nervte mich alles. Das aus dem Rucksack leben, immer die gleichen Klamotten tragen, sich ständig um irgendwas kümmern und organisieren müssen, sich immer wieder neu orientieren und sich auf einen neuen Ort und eine andere Schlafstätte einlassen... Das, was ich die ganze Zeit so spannend und belebend fand, belastete mich auf einmal. 


Trotz dieses Tiefs machte ich mir immer und immer wieder bewusst, dass ich so froh sein kann, das alles erleben zu dürfen und es half mir auch, mich zusammenzureißen aber spätestens, wenn es darum ging, bzgl. des nächsten in Frage kommenden Ortes, eines geeigneten Hostels oder der optimalsten Transportmöglichkeit zu recherchieren, war ich wieder lustlos und genervt. Tatsächlich erwischte ich mich in solchen Momenten sogar ab und zu bei dem Gedanken, dass ich nun auch nach Hause fliegen könnte. Aber beim genaueren Inmichreinhören wusste ich, dass ich noch längst nicht fertig bin mit meinem Abenteuer. Dennoch fehlte der Antrieb. Und die Leichtigkeit. Es wurde zwar besser aber manchmal war ich nur halbherzig bei der Sache. 


Hinzu kam auf einmal das überraschende Gefühl der Einsamkeit. Total merkwürdig, denn bisher hab ich ganz bewusst nach der Einsamkeit gesucht und mich selten anderen angeschlossen. Und nun fühlte ich mich zum ersten Mal so richtig alleine. Nach gefühlten hunderten mit mir selbst genossenen Sonnenuntergängen konnte ich mich an diesen auf einmal nicht mehr richtig erfreuen, weil ich mir wünschte, jemanden neben mir sitzen zu haben. Und an dem Strand in Los Naranjos, an dem man so wunderbar allein sein kann und genau deshalb von mir als Abtauchort auserkoren wurde, war ich neidisch auf die verliebten Pärchen und auf die Gruppen von coolen Surfer-Freunden und wäre gerne Teil von ihnen. Dies führte dazu, dass ich viel über mich und mein Singledasein grübelte, mich eine Trennung, die ewig her und doch eigentlich längst verarbeitet ist, plötzlich aufwühlte und mich ausserdem das Nichtüberwindenkönnen der Entfernung zwischen Pauli und mir total traurig machte. Das alles sorgte für einige schlaflose und tränenreiche Nächte. 


Dann lag ich am Strand und von der Gruppe nebendran erklang Musik. Dazu ließ sich die Sonne blicken und das Meer rauschte. Und auf einmal fühlte sich alles wieder ein wenig leichter und erträglicher an. Wer mich kennt, weiss, dass ich ohne Musik eigentlich nicht wirklich existiere. Aber in den letzten Monaten hab ich immer weniger Musik gehört, manchmal wochenlang nicht. Das lag zum einen daran, dass meine tollen Kopfhörer bereits in Laos einer Maus zum Opfer gefallen sind und die billigen Ersatzdinger einfach keinen guten Sound haben und zum anderen daran, dass mein MP3-Player ebenfalls schon vor einer ganzen Weile den Geist aufgegeben hatte. Also füllte ich mein Handy mit Musik (ich hatte zum Glück ganz viel Musik als BackUp auf meinem Tablet) und tauchte ein in die wunderbare Musikwelt. Und es half. Neben dem stundenlangen Sitzen am Meer war die Musik Balsam für mein Herz. Ich weinte zu den Editors, rockte zu Smoke Blow und tänzelte mit GusGus durch's Zimmer. Das ist (mein) Leben!!! 


Es geht also wieder etwas besser, auch wenn mich das Recherchieren und ständige Organisieren immer noch nervt. Vor allem bei dem echt miesen Internet hier überall. Aber ich bleibe jetzt einfach noch ein paar Tage am Strand, bevor ich weiter ziehe. Was die Einsamkeit angeht, bin ich sogar ein wenig erleichtert, das nun auch mal zu empfinden, denn ehrlich gesagt, machte ich mir schon Sorgen, dass mit mir etwas nicht stimmt, weil ich seit so vielen Montaten das Alleinsein zelebriere. Es besteht also doch noch Hoffnung, dass man mich wieder auf die Menschen loslassen kann. ;)

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Kristina Anne-Louise (Samstag, 17 September 2016 11:49)

    Liebes, ich umarme Dich, Du bist wunderbar und auf der Reise zu verschiedenen Menschen, Eindrücken und zu Dir selbst.
    LOVE YOU
    Deine beste ex-Nachbarin ;-)