ÜBER DAS ANKOMMEN UND ZURÜCKBLICKEN

Ich merke, dass ich so langsam im Alltag ankomme. Das ist gut, denn die verwirrende Orientierungslosigkeit in den ersten Tagen, die nicht aufhören wollende schmerzende Sehnsucht nach Freiheit und kolumbianischer Luft sowie das immer tiefere Fallen in ein Loch wurden unerträglich für mich. Und vermutlich auch für meine Mitmenschen.

 

Ich hab ALLES verflucht bzw. in Frage gestellt und wollte einfach nur wieder weg. Und ganz ehrlich, ohne meine family, Freunde und Kollegen wäre ich dem laut schreienden Fluchtimpuls höchstwahrscheinlich gefolgt. Ich danke Euch für Eure Geduld, für die tröstenden und mutmachenden Worte und für hilfreiche Arschtritte!

Mit dem fixen Aufspüren einer bezahlbaren Wohnung im unerwartet lieb gewonnenen Moabiter Kiez ist nun die Basis für das Ankommen geschaffen. Genau das macht mir allerdings auch Angst, weil ich befürchte, es mir wieder so richtig bequem zu machen in meiner Komfortzone und mich dann nicht mehr zu trauen loszuziehen, sollte der verlockende Ruf des Backpacker-Daseins nicht verhallen. Aber diese Entscheidung möchte ich nicht überstürzt treffen. Vor der Reise war ich mit meinem Leben rundum zufrieden. Ich will zumindest schauen, ob sich diese Zufriedenheit wieder einstellt und erst dann abwägen.

 

Seit meiner Landung in Tegel sind bereits 7 turbulente Wochen vergangen. Also höchste Zeit, nochmal in meinen 434tägigen Streifzug durch die Welt abzutauchen und ein Resümee zu ziehen, bevor mich das Alltags-Ungeheuer äh -Abenteuer komplett einholt:

 

Erst einmal bin ich froh, dass ich gesund und ohne Blessuren (nun gut, lassen wir das kaputte ausgedünnte Haar und das vor Fernweh schmerzende Herz mal ausser acht) die Heimkehr antreten konnte. Was hatte ich mich vor der Reise verrückt gemacht und mir in vor Aufregung wach liegenden Nächten ausgemalt, was alles passieren wird: Krankheiten, Raubüberfälle, Bettwanzen, Kreditkarten-Missbräuche, Rucksack-Klau, mich ständig übers Ohr hauende Menschen etc. Ich bin mit viel Beklommenheit los gestartet. Umso glücklicher bin ich, dass bis auf ein paar Kleinigkeiten alles so gut gegangen und keine der Befürchtungen eingetroffen ist. Der Schutzengel von Sabine, der Sorgenfresser von Pauli und all Euren guten Wünschen haben ganze Arbeit geleistet.

 

Das ich diese sensationelle Reise und all diese unvergesslichen Erfahrungen machen konnte und das alles so rund gelaufen ist, erfüllt mich nach wie vor mit Dankbarkeit, Demut und Glück. Und manchmal auch mit Fassungslosigkeit im positiven Sinne.

 

Fassungslos bin ich allerdings auch darüber, WIE rasend schnell die Zeit verging. Viel zu schnell… Hatte ich vor der Reise noch damit gerechnet, dass ich es nach einem Jahr inner Hängematte kaum erwarten kann, wieder nach Hause zu kommen und arbeiten zu gehen, hat mir das mir nie langweilig werdende Vagabunden-Leben so gut gefallen, dass ich noch ein ganzes Weilchen hätte weitermachen können.

 

Bis auf die eine Reisemüdigkeits-Phase kurz nach der Halbzeit, war ich voll dabei. Die meiste Zeit war ich mir der Besonderheiten voll bewusst und in der Lage, mich für die großen und vor allem für die kleinen Schönheiten und Wunder unserer Welt zu begeistern. Doch ja, manchmal fühlte es sich auch wie Alltag an und ich musste mich selbst daran erinnern, was ich da eigentlich grad krasses erlebe oder an was für einen einzigartigen Ort ich meine Decke ausbreite. Wenn mir dann wieder klar wurde, wie abgefahren das ist, hat es mich manchmal echt umgehauen. Und wie oft ich von einer Welle voller Glücksgefühlen durchströmt wurde, oh man wenn ich die Augen schliesse, kann ich es wieder fühlen.

 

Unvergesslich sind auch die Begegnungen und nachhallenden Gespräche mit außergewöhnlichen Menschen - Einheimische wie Backpacker. Mit einigen stehe ich immer noch in Kontakt, es gab sogar schon erste Wiedersehen und weitere sind in Planung. Und als wäre die Reise nich schon Highlight genug, habe ich sogar gute Freunde als immerwährendes Souvenir gewonnen.

 

Zu tun hatte ich manches Mal mit den starken Kontrasten. Da läuft man entlang eines Prachtboulevard oder betrachtet gigantische Luxusyachten, um dann direkt daneben die in Armut lebenden und oft richtig hart arbeitenden Menschen zu erblicken. Das erdete mich jedes Mal und macht mich demütig und dankbar dafür, dass es mir so gut geht und ich in eine Wohlstandsgesellschaft hineingeboren wurde, die ganze Welt bereisen kann (während viele Locals, die ich getroffen hatte, noch nie ihren Heimatort verlassen haben) sowie ein selbstbestimmtes Leben leben darf. Einfach so, ohne dass ich dafür etwas leisten musste. Deshalb war es mir schon immer ein Bedürfnis, ein wenig zurückzugeben in Form verschiedener Ehrenämter aber das reicht mir nicht mehr, ich möchte mein tägliches Tun, den Job inbegriffen, mit mehr Sinnhaftigkeit prägen. Die Chance habe ich nun durch einen Aufgabenwechsel innerhalb der Firma bekommen, mal schauen, ob das ausreicht.  

 

Zu schaffen machten mir auch die extreme Vermüllung allerorts, die Ozeane inbegriffen, und das völlig fehlende Verständnis für Naturschutz sowohl in Südostasien als auch in Südamerika. Und leider habe ich, aus Mangel an Alternativen, mit meinen auf die 14 Monate hochgerechnet bestimmt mehr als 100 gekauften Plastikflaschen zu einer weiteren Verschmutzung beigetragen. Deshalb schaue ich nun verstärkt nach Projekten, die sich mit diesen Themen beschäftigen, um durch Mithilfe oder Geldspenden eine klitzekleine Wiedergutmachung leisten zu können. Wenn Ihr tolle Initiativen kennt, ich bin dankbar für jeden Tipp.

 

Um meinen miesen ökologischen Fussabdruck aufgrund der vielen Flugmeilen wenigstens ein bisschen auszugleichen, werden die nächsten Touren umweltbewusst in die nähere Umgebung mit Bus und Bahn unternommen. Nach den zahlreichen stundenlangen Busfahrten auf der Reise is nun alles unter 4 Stunden eh ne Kurzstrecke für mich. ;) Den erster Ausflug bei frühlingshaften Wetter hab ich bereits bestritten, es ging ins schöne Werder an der Havel (die Bilder gibt’s auf Facebook).

 

Was ich neben der Sonne und meiner (nun nicht mehr) braunen Haut sowie meinen sonnengebleichten Haaren extremst vermisse, sind das lateinamerikanische/karibische Lebensgefühl, der Strandsand unter den Füßen, die ständigen Komplimente von Jung und Alt, ein freundliches Lächeln egal wem man begegnet...

 

 

Nun liegt es an mir, die auf der Reise gewonnenen Erkenntnisse (darüber hatte ich ja bereits einen Blogartikel geschrieben) in meinen Berliner Alltag einzuflechten und auch ohne Hängematte im Hier und Jetzt zu leben.

 

Was auch immer kommen und passieren mag, die Erfahrungen und Erinnerungen sind in meinem Herzen eintätowiert und werden mir immer und immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

 

Ich würde es jederzeit wieder tun...

 

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