VON NICHT ENDEN WOLLENDEN KARUSSELLFAHRTEN UND DER ERSTEN AUSZEIT (IN TEMPLIN) NACH DER AUSZEIT

Ich konnte es selbst nicht fassen aber Tatsache ist, dass ich nach nur 3 Monaten zurück im Alltag eine Auszeit bitter nötig hatte. Doch rückblickend ist es nicht wirklich verwunderlich, denn die letzten Wochen mit dem sich rund um die Uhr drehenden Gedankenkarussell, dem schwindlig machenden Sich-Im-Kreis-Drehen und dem dauerhaften Gefühls-Auf-und-Ab waren extrem kräftezehrend. Von den ruckzuck wieder angehäuften Überstunden will ich gar nich erst anfangen… Willkommen im Leben...

 

Die Gedanken aus meinem letzten Blogeintrag ließen ja auf ein baldiges Fahrtende hoffen, doch das Karussell drehte sich gnadenlos weiter und ich suchte vergeblich nach dem Aus-Knopf. Diesen hoffte ich, in einer kleinen Auszeit zu finden und buchte über Ostern ein Zimmer in einer Pension in Templin.


Templin ist eine kleine Stadt in der Uckermark und von Berlin aus über Oranienburg mit der Bahn entspannt zu erreichen. Viele Seen sowie ausgeschilderte Wege laden zum Wandern und Entschleunigen ein.

 

Ich war richtig aufgeregt, als ich meinen Rucksack endlich wieder packen durfte und richtig entsetzt, als dieser dann für 4 Tage genauso voll und schwer war wie auf der 14-monatigen Tour… so schnell geht das also vorbei mit dem gel(i)ebten Minimalismus.

 

Dank der kurzen Anreise (über meine Neudefinition einer Kurzstrecke hatte ich ja bereits geschrieben) war ich schon mittags in Templin, durfte direkt einchecken, ignorierte die graue Wolkendecke und begab mich aufgrund des ausbleibenden Regens und der grausamen Wetteraussichten für die kommenden Tage sofort auf Wanderschaft. Ich hatte die Umrundung des Stadtsees auserkoren als erstes Date zwischen der Natur und mir. Die Einsamkeit auf dem Pfad entlang des Sees und die Ruhe umhüllten mich wohltuend. Irritierend war nur der Abschnitt, den man auf der Landstraße ohne Sicherheitsabstand zu den vorbeifahrenden Autos laufen musste. Ansonsten ging es aber immer durch Wiesen und Wälder, oft nahe am See - perfekt zum Durchatmen. Das in der Natur sein tut mir gut: mit jedem Schritt fiel die Last der letztendlich Wochen von mir ab, das Karussell drehte sich langsamer und langsamer, der Schwindel hörte auf.

 

Die Wanderung beruhigte meine Seele und mobilisierte meinen Körper. So blieb noch Power für den Rundgang entlang der schön restaurierten und die Altstadt komplett umschliessende Stadt-Mauer. Im Ort selbst war allerdings wenig bis gar nix los, weshalb ich es mir nach einem reichhaltigen asiatischen Abendessen in der Pension gemütlich machte und bis weit nach Mitternacht an der Flimmerkiste hängen blieb.

 

Die nächste mich beglückende und mich vom Drehschwindel weiter befreiende Aktivität folgte am nächsten Tag nach einem gemütlichen Frühstück: Yoga! Dies kam die letzten Wochen viel zu kurz. Furchtbar, wie schnell mich der energie- und freizeitraubende Jobstress wieder im Griff hat. Also wurde endlich mal die Yogamatte ausgerollt und los gings. Boah, tat das gut - trotz totaler Unbeweglichkeit.

 

Meine Hoffnung auf Wetterbesserung erfüllte sich nicht, im Gegenteil, es wurde immer regnerischer und winterlicher (nein, kein Schreibfehler, zwischendrin schneite es sogar), so dass ich nach meiner Yoga-Session direkt noch ein kleines Dankesgebet an wen auch immer abgab über die perfekt Ortsauswahl, denn in Templin befindet sich DIE Schlechtwetter-Alternative schlechthin - die NaturTherme Templin. In dieser verbrachte ich dann den restlichen Samstag und - da es immer schrecklicher wurde mit dem Wetter - auch den kompletten Sonntag. Sonntagabend kam dann - woher auch immer - plötzlich die Sonne raus, so dass ich nochmal ein wenig den See entlang laufen und das Blau des Himmels und des Wassers bestaunen konnte.



Obwohl ich nur ein paar wenige Tage aus dem Alltag ausstieg, wirkte es Wunder und die Karussellfahrt schien beendet. Ich konnte sogar einige Erkenntnisse und bewusst getroffene Entscheidungen mitnehmen:

  • Ich brauche die Zeit mit mir wie ein die Menschen glücklich machender Sommer die Sonne. Neben den ganzen Verabredungen und Erlebnissen mit family & friends muss ich mir also auch regelmäßig Dates mit mir selbst vereinbaren.
  • Ich werde erst einmal in Berlin/ Deutschland bleiben und nicht weiter darüber grübeln, wo ich die nächsten Jahre unter kolumbianischer Sonne leben und arbeiten könnte. Ich war so zufrieden mit meinem Leben vor der Reise, meine Hoffnung ist, dass sich das wieder einstellt. Eine weitere grosse Reise - in welcher Form auch immer - wird es aber sicher wieder geben.
  • Meine friedvolle Stimmung und das wieder ganz bei mir sein habe ich zudem dazu genutzt, aufzuschreiben, was mir wichtig ist an einem mich zufriedenstellenden Job. Mit dem Ziel, diese Punkte zu priorisieren, mit den aktuellen Gegebenheiten meines jetzigen Jobs  abzugleichen und daraus weitere Entscheidungen abzuleiten.

Das Ziel der Auszeit wurde also sowas von erreicht und es ging mit ganz viel Zuversicht, Optimismus und Vorfreude zurück nach Berlin.



Den Artikel schreibe ich vier Wochen später und leider ist die Fahrt doch noch nicht zuende. Ich hatte die Notbremse gezogen, nicht den Aus-Kopf gefunden. Es dreht sich also alles weiter im Kreis… und ich starre weiter ratlos auf die nach wie vor unausgepackten Umzugskartons...


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