KAPSTAsDTisch

 

Heute ist der 19. November und ich starte mit einer 6stündiger Busfahrt in meinen vierwöchigen Roadtrip entlang der südafrikanischen Küste. Genügend Zeit also, um die letzten Tage Revue passieren zu lassen.

 

Ich bin bereits seit über zwei Wochen in Südafrika und hab schon so viele verschiedene Eindrücke, Orte, Glücksmomente und Gefühlkarusselle erlebt. Ganz besonders in den letzten 11 Tagen, die - abgeschnitten von der Außenwelt - komplett frei von äusseren Einflüssen und völlig geprägt von Meditationen, Schweigen, Ups and Downs und einer ganz besonderen Intensität waren. Das wirkt grad immer noch nach und ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber einen Blogartikel schreiben möchte.

 

Vor dieser Reise ins Betti-Land gab es ja aber schon 5 wunderbare Tage in Kapstadt und davon berichte ich Euch nun: 

 

WUUUUUUSCH!!! Kapstadt hat mich direkt hinein katapultiert in das Reiseabenteuer. Was für ein fantastischer Start in die vor mir liegenden 10 Wochen Südafrika. Es war also tatsächlich soweit: nach einem turbulenten, herausfordernden und lehrreichen Arbeitsjahr darf ich nun die Früchte ernten.

 

Am 2.11. landete ich in Kapstadt und hatte bereits im Flieger den ersten Glücksmoment, als ich den Tafelberg von oben sah. Ich glaub, erst in diesem Moment habe ich wirklich realisiert, dass ich Urlaub hab und die nächste Zeit in Südafrika verbringen werde. Vergessen war der hektische Sprint in Doha durch die Terminals, um den Anschlussflug mit Ach und Krach zu schaffen. Groß war die Vorfreude auf das vor mir liegende.

 

Es gab einen Busstreik in Kapstadt, somit blieb mir doch nur das Taxi, um zum Hostel zu kommen. Erst als ich im Auto saß, merkte ich, wie müde ich war von dem langen Flug ohne Schlaf und dankte den Streikenden für die aufgezwungene bequemere Fahrt. Im Hostel angekommen und eingerichtet, studierte ich frisch geduscht den Stadtplan, meine geweckte Neugierde auf diese Stadt wollte umgehend gestillt werden.

 

Das Hostel lag fußläufig zur Waterfront. Keine Frage, dass es mich zuerst Richtung Wasser zog. Dort angekommen, wurde ich direkt reingesogen in den Erkundungsmodus und wusste gar nicht, wohin ich zuerst gucken sollte. Da war dieser gewaltige Atlantik. Und da war dieser imposante Tafelberg.

 

Die Südafrikaner sind wohl immer gut drauf dank des morgendlichen Blicks auf den prächtigen Table Mountain, der einen sich selbst und seine Probleme auf einmal ganz klein erscheinen lässt.

 

Ich bin begeistert rumgelaufen und nahm alsbald die Livemusik aus verschiedenen Ecken wahr. Ein mehrtägiges Strassenmusik-Festival fand grad statt. Als ich dann noch den Food Market mit unzähligen Leckereien entdeckte, wähnte ich mich glatt im Betti-Paradies. Und das nur wenige Stunden nach der Landung. Während ich also so da saß im T-Shirt mit der Abendsonne im Gesicht, mit einem köstlichem Linsen-Curry, einem CapeTown-Bierchen sowie der Musik im Hintergrund, wusste ich: Ich bin verliebt. In Kapstadt. Somit wurde mein Plan, die Tage in Kapstadt nach den hinter mir liegenden kräftezehrenden Monaten vorrangig zum Ausruhen zu nutzen, direkt mal über die Waterkant geworfen.

 

 

Ich wollte unbedingt rauf auf diesen faszinierenden Tafelberg, der 2009 zum 7. Weltwunder ernannt wurde. Das wurde also gleich am nächsten Tag in Angriff genommen. Mir wurde wegen des bewölkten Wetters davon abgeraten aber nach einem Blick auf die Wetter-App, die für die folgenden Tage Regen voraus sagte, folgte ich meinem Bauchgefühl, dass das genau heute ein guter Tag ist für den Table Mountain.

 

Kapstadt lässt sich easy mit dem HopOnHopOff-Bus erkunden und da man mit dem Ticketkauf auch gleich ein Ticket für die Seilbahn erwerben kann, fackelte ich nicht lange und reihte mich ein in das klassisch Touri-Programm. Nach ein paar Erkundungsstopps in der Stadt ging es dann am frühen Nachmittag ohne lange Wartezeit mit der Seilbahn rauf auf den Tafelberg. Und was mich da oben erwartete, kann ich nicht in Worten wiedergeben. Ich hoffe, die Bilder vermitteln einen kleinen Eindruck. Es war zwar bewölkt und windig aber dennoch angenehm warm und somit entschied ich mich für den großen Rundweg mit einem AudioGuide auf den Ohren, den ich mir vorab kostenfrei herunter geladen hatte. Je weiter ich lief, desto weniger Menschen waren zu sehen. Zu sehen bekam ich dafür atemberaubende Ausblicke. Ich musste ständig stehen bleiben und fassungslos die Aussicht geniessen. 

 

Um die ganzen Eindrücke zu verarbeiten, entschied ich mich dann für ein Kaffee-und-Kuchen-Finale im TableMountain-Cafe, natürlich mit Aussicht. Alles ist hier sehr auf Nachhaltigkeit und Wiederverwertung angelegt, generell fällt mir (jobbedingt?) auf, dass sehr viel Wert darauf gelegt wird, für einen nachhaltigen Aufenthalt in Kapstadt zu sensibilisieren. Zudem wird überall, selbst beim AudioGuide der HopOn-Busse, um einen bewussten und reduzierten Wasserverbrauch gebeten und entsprechende Tipps gegeben.

 

Da am Ausgang für die Seilbahn keine Schlange stand, entschied ich mich dafür, schnell nochmal in die WiFi-Lounge zu huschen. Das Herstellen einer Verbindung hat aber trotz mehrmaliger Versuche nicht geklappt und als ich dann wieder zum Ausgang ging, erwartete mich eine laaange Schlange... ich deutete es als Zeichen, dass ich das digitale Leben loslassen und mich wieder mehr der Offline-Welt öffnen soll. Das Universum erhörte mich: Nachdem ich bereits am Vorabend versuchte, mein Handy mit einem kompletten Neustart wieder zum Leben zu verhelfen, ploppte die Fehlermeldung diesen Abend wieder auf. Ich entschied, auf einen Neustart und somit auch auf die volle Funktionsfähigkeit zu verzichten. Mein Handy ist nun nur noch teilweise zu gebrauchen. Kontakte und Telefon funktionieren nicht mehr. Somit auch kein von mir geliebter und regelmäßig gepflegter WhatsAppStatus. Erst war das ziemlich schockierend, später irgendwie befreiend.

 

Als nächstes wollte ich unbedingt an den Strand, der von oben so hervor stach. Mit dem HopOn-Ticket kein Problem. Nächster Halt somit: Beach! Mit den Füßen im Sand saß ich zwischen lauter wunderhübscher fröhlicher Südafrikaner, vor mir das Wasser, hinter mir der Tafelberg und der Lions Head. Und dann musste ich weinen. Vor Glück, Dankbarkeit und Fassungslosigkeit, dass ich das erleben und grad genau hier sein darf.

 

 

Am nächsten Tag wollte ich das City Center erkunden. Mir fiel erst unterwegs auf, dass Sonntag ist und sich somit keiner auf der Straße aufhielt außer zahlreicher zwielichtiger Gestalten, von denen mich auch einige ansprachen. Da fühlte mich zum ersten Mal etwas unwohl und suchte nach belebteren Straßen auf dem Weg zum Startpunkt der Free Walking Tour zum Thema “From Apartheid to Freedom”. Die Tour gab interessante Einblick in die Vergangenheit von Kapstadt und Südafrika, insbesondere zur Rassentrennung, die die weisse Bevölkerung über alle anderen stellte.

 

Die farbige Bevölkerung wurde überall verdrängt, so auch aus dem bekannten District Six, in dem bis dahin Menschen aller Religionen und Hautfarben friedlich miteinander lebten. Menschen, deren Hautfarbe aus Sicht der Apartheid-Regierung nicht angemessen war, wurden in eigens für sie vorgesehenen, völlig verwahrlosten Bezirken außerhalb der Stadt untergebracht, ihnen wurden ihre Rechte entzogen und es herrschte eine massive Unterdrückung. Khayelitsha (our new home) ist eines der größten Townships Südafrikas am Stadtrand von Kapstadt. Die Menschen wurden zu Fremden in ihrem eigenen Land. Die Verdrängung führte somit unter anderem auch dazu, dass in vielen Townships nun die gefährlichsten Gangs der Welt ihr Unwesen treiben, eines der größten Probleme Südafrikas. 

 

Ich finde, dass die Folgen der Apartheid, die theoretisch seit mehr als 25 Jahren vorbei ist, immer noch spürbar und sichtbar sind. Man sieht die Weissen in den privilegierten Wohngegendenen und Jobs und die Schwarzen, die die ganzen niederen Arbeiten verrichten. Die krassen Gegensätze sind manchmal schwer für mich einzuordnen.

 

Der Guide beendete die Tour (rechtzeitig vor dem einsetzendem Regen) mit einem Zitat von Nelson Mandela, dem bekanntesten Kämpfer gegen die Apartheid, das ich gerne mit Euch teilen möchte, da aktueller denn je: “No one is born hating another person because of the color of his skin, or his background, or his religion. People must learn to hate, and if they can learn to hate, they can be taught to love, for love comes more naturally to the human heart than its opposite“.

 

Am Montag wurde sich nicht ausgeruht, sondern es ging auf DayTour in die Winelands. Es war erneut Regen angesagt und da ich nicht wie am Vortag wie ein begossener Pudel rumlaufen wollte, versuchte ich mich, so gut es ging, auf das wechselhafte Wetter vorzubereiten. Aber wir hatten Glück und saßen bei den Schauern immer im Bus. Ich bin ja grundsätzlich eher skeptisch gegenüber solchen Gruppen-Touren  eingestellt aber es hat sich voll gelohnt. Schon allein wegen des von wunderschönen Bergen umrahmten Franschhoek (hat mich an Südamerika erinnert) aber natürlich auch wegen der vielen vorzüglichen Weinproben. Auf dem Rückweg kamen wir dann genau an dem Township vorbei, von dem ich den Tag vorher zum ersten Mal hörte. Es zog sich kilometerlang dahin und änderte meine Stimmung von einer weinseeligen in eine nachdenklich machende.

 

 

Der Dienstag stand dann ganz im Zeichen der Reise-Recherche. Es gibt zahlreiche vielversprechende Orte zu erkunden und meine Herausforderung ist, eine gute Mischung zu finden zwischen ganz viel sehen und dem sich Zeit nehmen und Verweilen an besonders schönen Orten. Dank der Tipps von Sarah (daaaanke!) konnte ich aber schnell meine nächsten anstehenden Ziele festmachen. Zudem fasste ich nach eher bescheidenen Nächten im dorm den Entschluss: ich bin ab sofort zu alt für Mehrbett-Zimmer.

 

Nachmittags schlenderte ich durch die kleinen Gassen des Viertels Bo-Kaap mit den farbenfrohen Häusern, die man auf vielen Bildern von Kapstadt sieht. und gab mich abends ganz der atlantischen Brise und dem touristischen Trubel der Waterfront hin.

 

 

Und dann war er da, der Tag, der seit Monaten in meinem Kopf umher spukte: der 7. November - der Beginn des 11tägigen Vipassana Meditations-Retreats in Worcester...

 



Wineland-Tour:

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Kommentare: 2
  • #1

    Jacqueline (Dienstag, 20 November 2018 20:28)

    Das hast du sehr schön geschrieben ���

  • #2

    Sarah (Mittwoch, 21 November 2018 17:55)

    Danke Betti, dass ich meine Leidenschaft und Sehnsucht nach Südafrika durch dich noch einmal mit erleben kann :-) Ich freue mich dass es dir genauso gut gefällt, wie ich es mir erhofft habe! Wundervolle Bilder - ich bin gespannt wie es weitergeht :-D